Molekulare und rheologische Charakterisierung
Beim Faserspinnen, wie bei den meisten polymerverarbeitenden Verfahren, erfolgt die Formgebung über den schmelzeflüssigen Zustand des Polymers. Kenntnisse über das Fließverhalten der Polymerschmelze sind deshalb von immenser Bedeutung. Gesamtheitlich betrachtet, treten beim Spinnprozess sowohl Scher- (z.B. im Extruder) als auch Dehnströmungen (z.B. in der Düse oder während der Verstreckung) auf. Diese können durch rheologische Messungen charakterisiert werden (beispielhaft an einem doppelt logarithmischen Frequenzsweep dargestellt). Am LSP stehen hierfür anwendungsspezifische Scher-, als auch Dehnrheometer zur Verfügung. Die Kenntnisse des scherrheologischen Verhaltens sind bei Spinnprozessen, der durch Dehnströmungen dominiert wird, nicht ausreichend. Eine Übertragung vom scherrateabhängigen Verhalten der Viskosität auf die Dehnviskosität ist in den meisten Fällen nicht möglich. Effekte, wie die sogenannte Dehnverfestigung (ein Anstieg der Viskosität mit Zunahme der Dehnung) können in einfacher Scherung nicht detektiert werden.
Neben den Prozessbedingungen wird das Fließverhalten maßgeblich vom molekularen Aufbau der Polymere beeinflusst. Eine höhere gewichtsmittlere Molmasse zeigt sich beispielsweise in einem Anstieg der Viskosität. Die Molmassenverteilung bestimmt u.a. die Ausprägung des strukturviskosen Verhaltens. Verzweigungen können zu einer Dehnverfestigung führen, die wiederum einen „Selbstheilungseffekt“ und eine Stabilisierung des Prozesses zur Folge haben können. Die molekulare Charakterisierung erfolgt am LSP mit Hilfe der Gel-Permeations-Chromatographie (GPC) in Kopplung mit einer Lichtstreuung. Dadurch ist die Bestimmung entscheidender Molmassenmittelwerte (Mw, Mn) als auch eine Verzweigungsanalyse möglich. Die gezeigte Schemaskizze stellt das Ergebnis einer solchen Untersuchung dar.
Die Kombination zwischen molekularer und rheologischer Charakterisierung ermöglicht es, verschiedene Materialien und Mischungen hinsichtlich ihres Fließverhaltens gegeneinander abzugrenzen, das Verhalten im Spinnprozess zu interpretieren und im Idealfall eine Vorhersage über ideale Rezepturen treffen zu können. Die experimentell gewonnenen Kenngrößen dienen weiterhin der Simulation als praxisnahe Vorgabeparameter.